Demontage eines Aushängeschildes

Vor fünf Wochen, da war die Welt noch in Ordnung bei Luis Lentz und Co. Der 20-Jährige feierte Anfang Juni mit dem TC Lilienthal nicht nur einen 5:4-Heimsieg über den Harvestehuder THC, sondern auch den endgültigen Klassenerhalt in der Tennis-Nordliga. Wieder einmal hatten sich die Lilienthaler gegen die mit Legionären gespickte Konkurrenz behauptet. Wieder einmal konnten sich die Lilienthaler auf die Schulter klopfen: Das Aushängeschild des Vereins hatte es einmal mehr ohne teure Ausländer geschafft, sich durchzusetzen.

„Wir hatten bereits Pläne für die Wintersaison“, erinnert sich Luis Lentz an einen gelösten und freudvollen Nachmittag, an dem sich alle mal wieder ein wenig so fühlten, wie im gallischen Dorf bei Asterix und Obelix. Wir Lilienthaler gegen die hoch bezahlten anderen da. Doch diese Pläne wurden nur wenige Tage nach dem Erreichen des Klassenerhalts komplett über den Haufen geworfen. Was sich am Tag des letzten Nordliga-Heimspiels niemand auch nur ansatzweise hatte vorstellen können, trat ein: Der TC Lilienthal hat seinen Spitzenspielern mitgeteilt, dass ab sofort gespart werden muss und es die erste Herren in der jetzigen Form nicht mehr geben wird.

„Das kam für uns komplett überraschend und hatte sich in keinster Weise angedeutet“, berichtet Luis Lentz, der vor fünf Jahren als größtes Talent des Landkreises vom TC Osterholz-Scharmbeck nach Lilienthal wechselte und längst das Gesicht der Mannschaft geworden ist, von einem regelrechten Schock. Ein solcher war die Entscheidung auch für Eva John, der TCL-Sportwartin, die sich seit vielen Jahren mit großem Engagement um den Leistungsbereich im Verein kümmert: „Uns ist die Entscheidung echt nicht leicht gefallen“, versichert John. Aber die in der Nordliga aufschlagende erste Herren sei durch weggebrochene Sponsorengelder schlichtweg nicht mehr zu finanzieren. „Und am Ende steht immer das Wohl des Vereins im Vordergrund“, fügt John hinzu.

Es ist üblich, dass die Spieler in solch hohen Ligen eine entsprechende Aufwandsentschädigung pro Ligaeinsatz erhalten. Diese ist beim TC Lilienthal dem Vernehmen nach schon deutlich geringer als bei den meisten anderen Klubs in der Nordliga. Deshalb versuchten die Lilienthaler seit jeher, die eigenen Spieler auch in den Trainingsbetrieb und ins Vereinsleben einzubinden, um so eine weitere Einnahmequelle für die jungen Akteure zu generieren. So konnte der TC Lilienthal in der Vergangenheit Spieler wie Tim Nekic, Yannick Staschen oder Alexander Brüggenwerth von einem Engagement überzeugen.

Mit der Trennung von insgesamt fünf Spielern aus der Leistungsklasse eins – neben dem genannten Trio dürften auch Gina-Luca Blöcker und Luis Lentz den Klub verlassen – ist eine Zäsur verbunden. Der Verein verliert sein Flaggschiff. „Man kann den Jungs überhaupt keinen Vorwurf machen“, sagt Wolfgang Wenzel, der nach dem Rücktritt von Schatzmeister Ulf Biebow wieder in den Vorstand zurückgekehrt und dort als neuer Finanzchef nun einmal mehr für die Zahlen zuständig ist. „Wenn Sponsorengelder fehlen, hat man zwei Möglichkeiten“, sagt Wenzel, „entweder man erhöht die Beiträge, oder man muss den Verein eben neu ausrichten.“ Da der Klub zu 95 Prozent aus Breitensportlern besteht, sei die Beitragserhöhung zugunsten der Nordliga-Mannschaft zu keiner Zeit eine Option gewesen. „Der TC Lilienthal ist sicher ein wichtiger Verein, aber wir können nicht den Markt verändern“, sagt Wenzel.

Gleichwohl bleiben einige Fragen offen: Zum Beispiel die nach dem Clubmanager. Im Oktober 2017 hat der Verein mit Teo Nekic nämlich einen hauptamtlich Beschäftigten eingestellt – und zwar ausdrücklich deshalb, um die Strukturen des Vereins zu professionalisieren, wie es damals hieß. Überraschenderweise wurde ausgerechnet dieser Clubmanager nun nicht einmal in die Entscheidungsfindung miteingebunden. „Ich wurde genauso wie die Mannschaft am Ende lediglich über die feststehende Entscheidung informiert“, sagt Teo Nekic.

Wie es nun konkret mit ihm und seiner Arbeitsstelle weitergehe, wisse er noch nicht. „Da werden in den kommenden Wochen sicher noch Gespräche geführt“, sagt er. Auch Wolfgang Wenzel bestätigte auf Nachfrage, dass es noch keine endgültige Entscheidung über die Zukunft des Clubmanagers geben werde. Sehr wohl müsse man aber natürlich auch über solche Posten nachdenken.

Es mutet fast ein wenig widersprüchlich an, wenn der Verein betont, dass die neuen Sparzwänge ausdrücklich keine Abkehr vom Leistungsgedanken bedeuten sollen. Vielmehr will sich der Verein neu aufstellen und den Fokus verstärkt auf den Nachwuchs legen. „Wir waren schon immer ein Ausbildungsverein“, sagen Vorstandsbeisitzer Dino Zirwes und der neue Sportwart Jörn Schilling unisono. Neue Mitglieder gewinnen und diese gut ausbilden – in diesem Bemühen spielt Tim Nekic eine zentrale Rolle. Er wird dem Verein als Spieler zwar nicht mehr zur Verfügung stehen, wie er auf Nachfrage bestätigt, als hauptamtlicher Trainer bleibt er dem Verein jedoch erhalten. Dass es für ihn beim TC Lilienthal als Spieler nicht mehr weitergehe, sei „irgendwo auch nachzuvollziehen“, erklärt Nekic. „Natürlich ist es schade, ich fühle mich ja sehr wohl im Verein. Aber ich fühle mich fit genug, um noch ein paar Jahre auf diesem Niveau weiterzumachen“, sagt die ehemalige Nummer 500 der Welt und 32 in Deutschland.

Auch Luis Lentz wird sich demnächst mit anderen Vereinen zusammensetzen und sich dann einen neuen Klub für die Wintersaison suchen, wo er vermutlich das Doppelte an Aufwandsentschädigung bekommen wird als beim TCL. Das ist aber völlig zweitrangig, erst einmal muss er den Schock verdauen. „Der TCL hat mich zu dem Spieler gemacht, der ich jetzt bin. Zudem waren das hier echte Freundschaften im Team, wir haben uns hier wirklich etwas aufgebaut.“ Damit ist nun Schluss, zumindest auf diesem Niveau und im gallischen TCL-Dorf.

Für Wolfgang Wenzel, der sich mit der Einstellung von Teo Nekic eigentlich endgültig aus der täglichen Vereinsarbeit hatte herausnehmen wollen und nun die Kehrtwende vollzog, wird sich in Zukunft eine Sache nicht ändern: „Wir werden auch weiterhin ein Aushängeschild des hiesigen Tennissports bleiben, aber eben mit anderen Prioritäten.“

Und dann gibt Wenzel auch noch ein konkretes Beispiel, wie sich der Abschied von der bisherigen Leistungsspitze bemerkbar machen wird: „Wir werden noch mehr in die Ausbildung investieren. Aber wenn ein 14- bis 16-jähriger Spieler dann irgendwann das Ziel Nordliga hat, dann wird er künftig wohl den Verein wechseln müssen.“

Nordliga spielen oder zurückziehen?

Bei dem Gedanken, die fünf besten Spieler des Vereins zu verlieren, blutet Eva John bereits jetzt das Herz. „Wir waren schon sehr stolz, so eine Mannschaft bei uns zu haben“, erklärt die TCL-Sportwartin für den Leistungsbereich. Die Chancen, dass Tim Nekic, Luis Lentz, Yannick Staschen, Alexander Brüggenwerth und Gian-Luca Blöcker dem TC Lilienthal erhalten bleiben, tendieren gen null. Mit dem Verlust seiner besten Spieler stellt sich zugleich die Frage: Meldet der Verein künftig überhaupt noch für die Nordliga? „Wir haben das mal lose angesprochen“, berichtet John von einem Gespräch mit Spielern der 2. Herren, die gleich zwei Ligen höher antreten müssten. Die erste Reaktion fiel verhalten aus. Ungeachtet der Ligazugehörigkeit zur neuen Saison stellt Eva John klar, dass die Ambitionen nur geringfügig heruntergeschraubt werden. „Sowohl mit den Herren als auch mit den Damen ist die Oberliga unser Ziel“, sagt sie. Unberührt von den neuen Sparzwängen im Verein sind übrigens die Lilienthaler Volksbank-Open, die komplett über Sponsorengelder abgesichert sind.

© Wümme Zeitung vom 08.07.2019 Dennis Schott und Tobias Dohr

 

 


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