Das Spiel meines Lebens (Tim Nekic)

Nekic' 180°-Drehung eines Monats!
Der bejubelte Aufstieg oder ein tränenreicher Abstieg. Ein unvergessener Sieg oder die bittere Niederlage. In unserer Serie „Spiel meines Lebens“ erinnern sich Sportler an den größten Moment ihrer Laufbahn.

Lilienthal. Wenn er es unbedingt müsste, dann könnte Tim Nekic das Spiel seines Lebens durchaus benennen. Das war das Finale 2013 von Hildesheim im Rahmen der ITF-Future-Serie, ein ATP-Turnier. Tim Nekic traf auf Stefan Seifert, der an Position eins gesetzt war und Tim Nekic vorher ausnahmslos bezwungen hatte, am Ende aber nahezu vorgeführt wurde. Oder wie es Tim Nekic in der Rückbetrachtung ausdrückt: „Ich habe ihn kaputtgespielt.“ Alles klappte an diesem Tag. Wirklich alles. Ein perfektes Spiel, das er mit 6:1 und 6:2 für sich entschied. „Es war das beste Match in meiner Karriere“, sagt der 27-Jährige.

Tim Nekic ist aber Tennisspieler. Und Tennisspieler sind in erster Linie Turnierspieler. Wenn man so will, ist für sie selbst ein Finale, wenn es denn im besten Falle so weit geht, nur ein Teil eines übergeordnetem Ganzen, nämlich eines Turniers. Und zum Spiel des Lebens von Tim Nekic gehört die Vorgeschichte des Turniersiegs von Hildesheim einfach dazu. Eine, die ihren Ursprung dabei gar nicht in Hildesheim hatte, sondern in Göteborg. Doch der Reihe nach.

Göteborg sollte den Neubeginn markieren. Tim Nekic war ein Jahr zuvor außer Gefecht gesetzt worden. Eine blöde Geschichte war das. Der heute 27-Jährige war im Heimaturlaub in Kroatien und ließ sich überreden, „mit der Banane zu fahren“, einem Luftkissen, das von einem Motorboot mal mehr, mal weniger schnell gezogen wird. Es kam, wie es kommen musste. Die ganzen „Banana-Boat-Fahrer“ plumpsten ins Wasser. Das ist durchaus Programm bei solchen Spaßfahrten. Das Dumme war nur, dass es Tim Nekic einmal so schwer erwischte, dass er sich den Oberschenkelmuskel riss. Folge: ein Jahr Pause. „Die Zeit war nicht ganz leicht“, erinnert sich Tim Nekic. Sponsoren sprangen ab, die Rehabilitation war quälend. Als unentbehrliche Stütze erwies sich sein Vater Miro, der in den 1980er-Jahren Tennis-Bundesligaspieler war. Ob er es ohne seine Hilfe zurückgeschafft hätte? Fraglich. Aber irgendwann stand Tim Nekic wieder auf dem Court. Und war bereit für Göteborg.

Das einzig Gute in dieser schwierigen Zeit war, dass Tim Nekic die vor seiner Verletzung erspielten Punkte behalten durfte, die er sich im Laufe der Jahre auf nationalen und internationalen Turnieren erkämpft hatte. Also war das aufstrebende Tennis-Talent im Hauptfeld gesetzt. Nach nur vier Wochen Vorbereitung. „Ich bin da hingefahren, und eigentlich beschäftigte mich nur eine Frage: Hält der Oberschenkel?“, erinnert er sich.

Die erste Runde gegen den Schweden Nicklas Timfjord war so wie befürchtet: hart. Tim Nekic musste an seine Grenzen gehen, die fehlende Spielpraxis machte sich bemerkbar. Aber er biss sich ins Spiel und gewann es nach drei knappen Sätzen. „Danach habe ich meinen kompletten Körper gespürt“, weiß Tim Nekic noch heute. In der zweiten Runde wartete der Norweger Joachim Bjerke auf ihn. Wieder ging es über drei Sätze, aber diesmal fühlte sich der heute beim TC Lilienthal als Trainer beschäftigte Nekic besser. „Und ich habe gemerkt, dass ich den Ball gut treffe“, fügt er hinzu. Tim Nekic gewann auch dieses Match. Der Oberschenkel? Hielt bis zu diesem Zeitpunkt. „Abends war der Oberschenkel etwas erhärtet, aber es ging.“ Spätestens das Viertelfinale hätte Endstation sein sollen. Der an Nummer eins gesetzte Hugo Nys aus Frankreich stand ihm gegenüber. Die Erwartungen waren gering. Aber je länger das Spiel andauerte, desto mehr beschlich Tim Nekic das Gefühl: „Da ist mehr drin“. Worüber Tim Nekic selbst am meisten erstaunt war. „Für mich hatte sich der Trip spätestens nach diesem Spiel gelohnt. Ich hatte mit dem Sieg schon sechs Ranglistenpunkte gesammelt, dachte: Ist doch perfekt gelaufen. Eigentlich kannst du wieder nach Hause fahren“, erzählt Nekic.

Diese Unbefangenheit sollte ihn weiter durchs Turnier tragen. Und als Tim Nekic auch noch Daniel Berta, die damalige Nummer eins der U18-Junioren und Sieger des Nachwuchsturniers der French Open des Vorjahres, schlug, gab es kein Halten mehr. Selbst der Bürgermeister seiner Heimatstadt Wilhelmshaven meldete sich bei ihm nach diesem 6:4, 6:4-Erfolg, der definitiv zu seinen Top drei zählt. „Nach dem Spiel sagte Daniel zu mir: Ich habe dich noch nie so spielen sehen. Ich sagte nur: Ich mich auch nicht“, erzählt Tim Nekic, der zu diesem Zeitpunt schon zehn Ranglistenpunkte gesammelt hatte.

Der Schwede Tobias Blomgren sollte die letzte Hürde auf dem Weg zum Turniersieg sein. Er erwies sich als zäher Gegner. Im dritten Satz schien ihm das vermeintlich vorentscheidene Break zum 4:2 gelungen zu sein, und auch Tim Nekic wähnte sich am Rande einer Niederlage, als er sich sagte: „Wenn er schon gewinnt, dann soll er dafür richtig kämpfen.“ Tim Nekic kämpfte letztlich sogar mehr als sein Gegner – und gewann. Euphorisiert, aber völlig übermüdet, stieg der 27-Jährige wieder in den Volvo der Familie Nekic und machte sich wieder auf den Weg zurück. In der Heimat wurde dann noch einmal erst recht gefeiert.

Einen Monat später kam der Triumph von Hildesheim. Um Hildesheim zu verstehen, muss man von Göteborg wissen. Wegen des Erfolgs von Göteborg waren die Erwartungen an Hildesheim nämlich ungleich größer. Und trotzdem: Dass er so kurz nach dem Neustart derart durchs Turnier rauschen, keinen Satz abgeben und im besagten Finale gegen den „Unbesiegbaren“ Stefan Seifert das beste Spiel seiner Karriere bestreiten würde, hatte er so nicht erwarten dürfen.

Der zweite Turniersieg binnen eines Monats verschaffte ihm nicht nur die nächsten 10 000 Euro Preisgeld, sondern auch den „Career-High“, wie es Tim Nekic ausdrückt. Er schaffte den Sprung auf Position 522 der Weltrangliste. Eine bessere Platzierung erreichte er danach nie wieder. „Wenn ich der 522. beste Fußballer gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich jetzt ausgesorgt“, vermutet er. Hildesheim jedenfalls sollte nicht noch einmal getoppt werden. Tim Nekic konnte danach nie wieder so recht an diese Form anknüpfen. Er kam zwar im Anschluss bei einem Turnier auf Kreta bis ins Viertelfinale (Nekic: „Ich wollte den Schwung von Hildesheim mitnehmen“), musste auf der Gegenseite aber auch acht Mal in Folge ein Erstrundenaus verkraften. Die große Karriere blieb aus. Auch, weil ihm der Oberschenkel immer wieder Probleme bereitete.

Umso bedeutsamer war für ihn die unverhoffte Teilnahme am traditionellen Turnier am Hamburger Rothenbaum. Organisator und Wimbledon-Sieger Michael Stich verschaffte ihm eine Wildcard, und somit stand Tim Nekic im Hauptfeld und durfte gegen den Brasilianer Thomaz Belluci, der damaligen Nummer 70 der Welt, jede Menge Lehrgeld sammeln. Eine Wahnsinnserfahrung sei dieses 1:6 und 2:6 trotzdem gewesen. „Das war noch einmal eine Kategorie höher als das, was ich vorher erlebt habe“, erzählt der 27-Jährige. Es war von vornherein klar, dass die erste Runde die Endstation bedeuten wurde. In diesem Match war Tim Nekic nicht mehr Turnierspieler, sondern nur Tennisspieler, der diese zwei Sätze vor einer tollen Kulisse einfach nur genoss.

Zur Person

Tim Nekic (27)

begann mit dem Tennisspielen im Alter von vier Jahren bei seinem Vater Miro, der in den 1980er-Jahren in der Tennis-Bundesliga spielte, in der Jade Tennis Gesellschaft. Mit zehn Jahren absolvierte er ein Bezirkstraining beim OTEV Oldenburg, ehe er nach zwei Jahren an die Tennis-Base nach Hannover zog. Von der U12 bis U16 wurde er durchgehend Norddeutscher Meister, gewann einige internationale Turniere und kletterte so in der Jugend-Weltrangliste auf Platz 51. 2010 startete er zudem im Juniorenfeld in Wimbledon und bei den Gerry Weber-Open. Mit 18 Jahren nahm Tim Nekic das Training wieder unter seinem Vater auf und startete weiterhin bei nationalen und internationalen Turnieren. Unter anderem gewann er auch die Lilienthaler Volksbank Open. Zu seinen größten Erfolgen zählen die ATP-Siege in Göteborg und Hildesheim. Ein weiteres Highlight war die Teilnahme 2014 im Hauptfeld des Turniers am Hamburger Rothenbaum. Seine höchste Platzierung in der nationalen Rangliste war der 32. Platz, international der 522. Platz. Vor fünf Jahren musste Tim Nekic seine Profi-Laufbahn aufgrund von Verletzungen aufgeben.

Tim Nekic spielte für die Jade Tennis-Gesellschaft, den OTEV Oldenburg, TC Alfeld, Club zur Vahr Bremen, TC Lilienthal und ist aktuell für den Wilhelmshaven THC aktiv. Beim TC Lilienthal ist er hauptamtlicher Tennis-Trainer.

Zur Sache

Der Weg zum Triumph von Hildesheim 2013

1.Runde: Kevin Boelhouwer (NED)  6:1, 7:5

2.Runde: Daniel Masur (GER)  6:4, 6:4

Viertelfinale: Dimitar Gabul (MKD)  6:0, 6:3

Halbfinale: Matthias Wunner (GER)  6:4, 6:4

Finale: Stefan Seifert (GER)  6:1, 6:2

Quelle: Dennis Schott, Wüme-Zeitung v. 28.04.2020, Foto: FR

 


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